Orlan: "MesuRagede la Place Saint-Lambert, à Liège, Belgique" (1980).
image copyright Orlan, VG Bild-Kunst, Bonn

Orlan (Frankreich *1947)

ORLAN hat seit 1965 ein umfassendes Werk geschaffen, welches den eigenen Körper als Material der Kunst begreift. In Fotografie, Video, Skulptur, Installation und insbesondere Performance untersucht und manipuliert sie das Wechselverhältnis von individuellem und sozialem Körper, von gelebtem, imaginiertem und kulturell kodiertem Körper. Durch Strategien radikaler Aneignung und Umformung behauptet sie das Recht, die kulturellen Bilder des (weiblichen) Körpers ebenso wie diesen selbst neu zu erschaffen. Internationale Aufmerksamtkeit hat sie durch ihre als Performance inszenierten und live übertragenen Gesichtsoperationen erlangt, in denen sie sich anhand weiblicher Vorbilder aus der Kunstgeschichte nach und nach zu einem hybriden Wesen umformt.

Eines ihrer weniger bekannten Frühwerke ist die Serie "Actions ORLAN-Corps: MesuRages d’institutions et des rues" (1974–1983), in der sie unzählige öffentliche Plätze, Straßen und kulturelle Einrichtungen, darunter das Centre Pompidou in Paris, mit ihrem Körper vermisst. In "MesuRage de la Place Saint-Lambert, Liège" (1980) wird eine im Zuge von Bauarbeiten geöffnete Fläche auf dem großen Platz im historischen Zentrum von Lüttich zum Ort der Performance. Wie schon in den vorangegangenen Aktionen trägt sie dabei einen weißen Kittel, der aus Laken ihrer Aussteuer zusammengesetzt ist und den sie am Ende ihrer Performance im Beisein des Publikums auswäscht. In diesen rituellen Vermessungen und Einschreibungen des weiblichen Körpers in den öffentlichen Raum wird der ORLAN-Körper zur Maßeinheit, zum Standard erklärt. Das von dem antiken Architekten Vitruvius geprägte und von Leonardo da Vinci in seiner berühmten Zeichnung des Vitruvianischen Mannes umgesetzte Diktum vom Mann als dem Maß aller Dinge erfährt hier eine radikale, subjektive und feministische Interpretation.

Orlan: "MesuRagede la Place Saint-Lambert, à Liège, Belgique" (1980) in der Ausstellung.
Foto: Andreas Süß